Mit Daniel Blochwitz und Adam Lowe
Martin Van Kranendonk und Kathleen Cambell
Ein Film von Cedric Marville und Bernd Nicolaisen, 2019, 2020
Daniel Blochwitz
Wenn wir bestimmte Dinge nicht direkt sehen oder Abläufe unmittelbar beobachten können, weil sie über sehr lange Zeiträume oder an unzugänglichen Orten stattfinden, unsere Neugier aber gerade von diesen fasziniert ist und sie sichtbar machen will, dann ist die bildliche Vorstellungskraft des Künstlers gefragt. Wissenwollen und Kunstwollen vereinigen sich hier zu künstlerischen Interpretationen wissenschaftlicher Fragen. Nur der Künstler ist in der privilegierten Lage, ohne wissenschaftliche Beweispflicht Behauptungen aufzustellen und weisse Flächen fantasievoll auszufüllen zu können. Als Künstler, der mit dem Medium Fotografie arbeitet, steht einerseits ein sehr präzises Instrument zur Verfügung, um Dinge sichtbar zu machen. Aber es hat auch seine Beschränkungen. Hier setze Bernd mit die Fotografie erweiternden Strategien und künstlerischen Formfindungen an.
FOTOGRAFIEN
Auch in seinem neuen Projekt „Strata of Pilbara“ geht es um wissenschaftliche Untersuchungen und ihre künstlerischen Auslegungen im Kontext der Relativität unseres Zeitbegriffs und -verständnisses. Die vorangegangenen und zugrundeliegenden Werkgruppen zu uraltem Baumholz oder tausendjährigem Gletschereis, beispielsweise, lieferten hierfür die Basis.
Diesmal liegt der Fokus Nicolaisen’s Fotografien auf der Erdkruste und beschäftigt sich mit den Oberflächen und Strukturen von einigen der ältesten Gesteinsformationen unseres Planeten. Wie in den vorherigen Arbeiten, macht er sich das flach einfallende Licht der Morgen- und Abendsonne zu nutze, und kann so millimeterkleine Oberflächenunterschiede geradezu plastisch herausarbeiten. Licht und Schatten ersetzen unseren präzisen Tastsinn und machen Gesteinsstrukturen in der Fotografie erfahrbar. Kombiniert mit der Abbildung vorgefundener Gesteins- und Mineralfarben entsteht ein recht präzises Bild der Materialität (Stofflichkeit) der Gesteine.
Spannend dabei ist, dass hier geologische Zeiträume fotografischen Zeitspannen gegenüber stehen und diese zusammen Bildabstraktionen von natürlich geschaffenen und geformten Gesteinen entstehen lassen, die wissenschaftlich erklärbar sind und entsprechend zugeordnet werden können.
STRATAGRAMME
Die Arbeiten in der zweiten Werkserie, den „Stratagrammen“, bewegen sich noch weiter in Richtung künstlerische Interpretation der vor Ort vorgefundenen geologischen Spuren. Sie fangen da an, wo die Fotografie an seine Grenzen kommt. Sie entfernen sich vom reinen fotografischen Abbild und sollen eher das sichtbar machen, was verborgen in der Tiefe der Erde existiert und stattfindet, all die möglichen Farben, Formen, Strukturen und Abläufe.
Das „Stratagramm“ kombiniert Aspekte von Malerei und Fotografie. BN: „Mich interessieren dabei die Beziehungen der Elemente zueinander und wie durch das direkte Wirken von Adhäsion und Kohäsion ein Bild entsteht.“ Die eingesetzten Materialien und Chemikalien reagieren höchst unterschiedlich zueinander. Die Bildwirkung kann bewusst gesteuert und subjektiv beeinflusst werden - jedoch prozesshaft und damit nicht so direkt wie in der Malerei sowie ohne gegenständliche Absicht.
Es unterscheidet sich dabei vom Chemogramm, einer Spielart kameraloser Dunkelkammerexperimente, da dieses auf die Lichtempfindlichkeit der eingesetzten Materialien angewiesen ist. Das Stratagramm ist unabhängig vom Licht. Die entstehenden filigranen, sehr natürlich wirkenden Formen und Strukturen verdanken ihre Gestalt zufälligen Abläufen und Reaktionen.
Dies resultiert in extreme, detailreiche Dichten und Schärfen in einer Art „Bildreise“, die auf den ersten Blick durchaus eine Ähnlichkeit mit Luftaufnahmen aufweist. Die Bildgestaltung erfolgt über physikalische und chemische Prozesse, die analog auf Glasplatten inszeniert und im Anschluss digitalisiert werden. Das „Stratagram“, das „chemische Bild“, besteht unter anderem aus Wasser, Oxiden, Methanol, Kupfer-, Gold- und Silberpigmenten, lokalen Erden und Pulvern aus den Bohrungen am North Pole Dome in der Pilbara. Durch diese natürlichen Elemente entsteht die eigentliche, räumliche Tiefenwirkung des Bildes und eine faszinierende Welt ausserhalb der Erfahrungen. Das Unterbewusstsein durchdringt dieses Bild bei der Betrachtung, öffnet so Räume zur Fantasie und setzt unsere Vorstellungskraft frei.
Informationen zum „Strata of Pilbara“ Projekt
Die Grundlagen, die aus den Arbeiten und Erkenntnissen rund um das geowissenschaftliche Program am North Pole Dome in der Pilbara Westaustraliens von Martin van Kranendonk und Kathleen Cambell gewonnen werden, liefern der Wissenschaft Fakten und beflügeln gleichzeitig die Fantasie der Menschen. BN: „Die Zusammenarbeit mit Martin und seinem Team hat mich sehr inspiriert und ist Ausgangspunkt meiner zwei Werkserien."